Eine ungewöhnliche Erfolgsgeschichte beispielhafter Industriekultur
Das von Walter Gropius und Adolf Meyer ab 1911 errichtete Fagus-Werk in Alfeld an der Leine gilt als Ursprungsbau der Moderne. Den Architekten gelang es, einem mittelständischen Betrieb ein völlig ungewohntes, vom Traditionellen abweichendes Erscheinungsbild zu geben. Das war möglich, weil Bauherr und Architekt eine selten günstige Konstellation bildeten. In der Person des Fabrikanten verband sich lebensreformerischer Anspruch mit amerikanischer Unternehmensphilosophie. Die produzierten Schuhleisten entstanden einerseits mittels verbesserter Fertigungsmethoden, andererseits nach neuesten Erkenntnissen der orthopädischen Fußforschung. Das Fabrikgebäude ist mit seiner repräsentativen Sachlichkeit und dem großflächigen Gebrauch von Glas auch Ausdruck eines neuen unternehmerischen Selbstbewußtseins und einer modernen Werbestrategie. Fagus ist die Geschichte eines Gesamtkunstwerkes und ein frühes Beispiel für corporate identity.
Die Fabrikanlage, seit 1946 eingetragenes Baudenkmal, wurde mittlerweile aufwendig restauriert und steht jedem zur Besichtigung offen. 2011 wurde das Fagus-Werk zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt.
Annemarie Jaeggi